Sommer 1901

Im Dachauer Moos, Eschenried

Studien gemalt u. hauptsächl. mit sibir. Kohle gezeichnet. Ich wohne mitten im Moos in der Eschenrieder Wirtschaft Meister Piltz schläft mit mir dort auf dem Heu u. ißt mit mir in der primitiven Wirtschaft der Familie Eder mit ihrem Dutzend Kinder. Meine Malsachen habe ich bei Kirrmaier eingestellt. Maler Marc jun. kampiert auch eine Zeit lang bei uns. Das rechte Zigeunerleben. Da das sonstige Essen mir zu zweifelhaft lebe ich eine Zeit lang hauptsächl. von Milch u. Eiern u. von einer Wurst, die ich mir mitgebracht.

Über meine künstlerischen Leistungen siehe Kunsttagebuch.

Ausflüge mit Prof. Piltz meist zu Rad zum „Himmelreich“, zur Amper u.s.w. originelle Menschen im Moos.

Am Sonntag trinken sie hie u. da im Wirtshaus aus Schüsseln, das Bierfaß auf d. Tisch. Schlafen dann ihren Rausch auf dem Boden im Freien aus. 

Häuser, durch deren Holzwände man in’s Freie sehen kann, werden im Winter mit Schilf eingewickelt. Durch das Dach des Stockerinhauses wächst eine prächtige Birke.

[Bleistiftzeichnung von Otto Piltz 16*29]

[Es spricht einiges dafür, dass die Bildidee für "Torfhütten im Dachauer Moos" von Franz Marc bei diesem Ausflug entstand]

Als die Stockerin später nicht die Miete zahlt, reißt der Besitzer das ganze Haus ab. Raps spannt nachts im Bett einen Schirm auf, da es durch das Schilfdach regnet. Er flickt letzteres aber nicht: “Das ist Sache des Eigentümers ich bin nur Pächter“. Er bereitet einen guten Moosschnaps.- Bei den Nachbarsleuten von Eders ist jedes Jahr immer großes Geschrei, dann verläßt die Frau ihren Mann auf ein paar Monate! In der Nähe wohnen 2, die von d. Nachbarn wegen Konkubinats angezeigt wurden. Da gibt sie einfach an, ihr Knecht wohne im Holzschuppen.

Prof. Piltz fragt den alten Haderecker (Wirt u. Wilddieb), wie viel Kinder er habe? „30 im ehelichen Stand“ war die Antwort. Es wimmelte überall v. Kindern. 

Die Moosleute stechen im Sommer fleißig Torf. Für den Winter verschaffen sich manche ein warmes Plätzchen. Sie stibitzen etwas u. kommen ins Gefängnis nach Stadelheim.

(Quelle: Orth, Karl. Tagebuch 2, unveröffentlichtes Manuskript ca. 1918)

 

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